Was ist eine Unkonferenz?

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Henrik Kniberg

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Das Konzept „Unconference” bzw. Open Space interessiert Sie? Sie möchten vielleicht selbst eine Unconference oder ein Open Space Format durchführen? Sie wurden zu einer Unconference oder einem Open Space eingeladen und möchten sich nun darüber informieren? Dann sind Sie hier absolut richtig!  

Dieses Dokument ist eine Zusammenfassung. Für mehr Informationen und Anleitungen können Sie sich dieses Ebook (von Henrik Kniberg) anschauen.

Was ist eine Unconference?

Eine Unconference ist im Grunde genommen eine Konferenz ohne fest vorgegebene Themen. Es gibt eine grobe Struktur und ein übergeordnetes Motto, aber die konkreten Themen einer Unconference werden spontan von den Teilnehmern bestimmt und die Arbeitsgruppen (breakout groups) werden ganz dynamisch nach Interesse und Relevanz gebildet.

Wenn Sie schon das Open Space Format kennen, dann ist eine Unconference eigentlich nur ein Open Space Event mit einer zusätzlichen Struktur am Ende, damit es besser als unternehmensinternes Event funktioniert.

Es ist ein großartiges Format, wenn man eine extrem flexible und von den Teilnehmern bestimmte Agenda und Struktur haben möchte. Seit vielen Jahren habe ich dieses Format schon bei Crisp, Spotify, Lego und anderen Kunden genutzt und es scheint sich in Organisationen viral zu verbreiten. Meistens habe ich eine Unconference mit 20-80 Leuten durchgeführt, die dann oft etwas sagten wie: „Alle Konferenzen sollten so sein” oder „Das war die beste Konferenz, bei der ich je war”.

Disclaimer: Ich habe den Begriff Unconference nicht erfunden und bin nicht für die Definition verantwortlich. Dies ist also nur meine persönliche Meinung zu diesem Thema.

Was sind die Vorteile dieses Formats?

Die Hauptvorteile von einem solchen dezentralisierten Setup sind:

  • Mehr Energie. Die Leute konzentrieren sich auf Dinge, die ihnen wichtig sind.

  • Weniger Planungsbedarf. Niemand muss sich vorab die Zeit nehmen, um eine detaillierte Agenda aufzusetzen.

  • Mehr Flexibilität. Sobald alle Teilnehmer zusammengekommen sind, ergeben sich unter Umständen unerwartete Themen, die äußerst interessant und wichtig sind. Mit einer dynamischen Agenda kann man den Moment einfangen und den größtmöglichen Wert aus der Konferenz herausholen.

  • Spontane Konversationen. Oft sind die informellen Unterhaltungen zwischen verschiedenen Menschen in verschiedensten Rollen, die sonst nicht miteinander sprechen, das Wertvollste an einer Konferenz. Die Leute lernen sich kennen, tauschen Wissen aus und bauen Vertrauen auf. Das Open Space Format unterstützt genau das.

Wenn es der Sinn und Zweck einer Konferenz ist, Zusammenarbeit und Kommunikation zu fördern, dann kann eine Unconference genau das auf eine einfachere, spaßigere und effektivere Weise tun!

Was sind die potentiellen Nachteile?

Wenn Sie möchten, dass die Leute über ein bestimmtes Thema oder bestimmte Entscheidungen sprechen, die gemacht werden müssen, ist dieses Format vielleicht nicht optimal (oder zumindest müsste es angepasst werden). Da diese Art der Konferenz absolut auf der Beteiligung der Teilnehmer basiert, entscheiden eben die Teilnehmer, über was sie reden möchten; und das ist vielleicht nicht das, was Sie möchten. Als Organisator gibt man nur das Motto vor und lässt dann die anderen machen.

Die Frage ist also: In welchem Maße müssen Sie die Konversation unter Kontrolle halten und wie sehr trauen Sie anderen Menschen zu, dass sie ihre Zeit auf die beste Art und Weise nutzen? Wenn Sie sich nicht sicher sind, versuchen Sie einmal, die Kontrolle abzugeben, und schauen Sie, was passiert. Sie werden überrascht sein!

Was? Gibt es etwa überhaupt keine Struktur?

Natürlich gibt es eine Struktur. Allerdings ist sie sehr minimalistisch verglichen mit anderen Konferenzen.

Der Organisator definiert ein übergreifendes Motto, auch Theme genannt. Das könnte beispielsweise etwas in der Art sein: „Wie dieses Projekt total großartig wird” oder „Was sind unsere größten Herausforderungen und wie gehen wir mit ihnen um?” oder „Wie sieht die Version 2.0 von unserem Unternehmen aus?”.

Das Motto ist extrem wichtig, weil sich die richtigen Leute für das Event dadurch angezogen fühlen (und die falschen dadurch abgeschreckt werden). Die Teilnahme sollte daher auf jeden Fall freiwillig sein. Sobald man ein inspirierendes Motto, einen erfahrenen Moderator und die richtigen Leute im Raum hat, kann dieses Event nur noch ein Erfolg werden!

Die Organisatoren definieren außerdem eine sehr grobe Struktur – meist nach diesem Muster:

Teil 1: Intro & Erstellung der Unkonferenz-Agenda

Alle versammeln sich (normalerweise in einem Kreis) und der Moderator erklärt das Motto für den Tag und die Hauptprinzipien für die Durchführung solcher Konferenzen.
Dann identifizieren die Teilnehmer die einzelnen Themen und arbeiten gemeinsam daran, sie auf die sogenannten Breakout Slots aufzuteilen. So gut wie alles kann zum „Thema” werden – eine Diskussion, eine Frage, eine Präsentation, eine Demonstration, ein Spaziergang, eine Pair-Programming Session oder was auch immer.

Teil 2: Breakout Slots

In dem Raum gibt es mehrere Ecken für die verschiedenen Breakouts. Alle diese Bereiche haben ein Flipchart und ein paar Stühle. Der Zeitplan zeigt, wann wo welche Session stattfindet. Die Sessions dauern normalerweise ca. 45 bis 60 Minuten.
Jeder kann sich überlegen, wo er gerne hingehen möchte: das ist die Regel der zwei Füße (Law of 2 Feet): „Wenn du da, wo du gerade bist, nichts lernen, beitragen oder Spaß haben kannst, benutze deine zwei Füße und gehe irgendwo hin, wo du etwas dazulernen, beitragen oder Spaß haben kannst.”
Die Teilnehmer können sich frei bewegen und müssen nicht in den geplanten Breakout Sessions bleiben. Es können sich auch spontan Konversationen an der Kaffeemaschine oder auf dem Balkon ergeben. Die Breakouts müssen nicht bei dem jeweiligen Thema bleiben, denn die Leute können sich darüber unterhalten, worüber sie sich auch immer unterhalten möchten.
Die Timebox ist nur eine grobe Vorgabe. Manchmal dauert eine Konversation nur 20 Minuten, manchmal wollen die Leute aber eine ganze Stunde über ein Thema sprechen. Die Regel der zwei Füße ist wichtiger als alles andere, daher ist der Zeitplan nicht fix, sondern nur eine Richtlinie, um eine Orientierung zu haben, wo einen seine zwei Füße hintragen.
Für jedes Thema gibt es einen Verantwortlichen, der die Maßnahmen/Entscheidungen/Erkenntnisse (soweit es welche gibt) festhält. Im Normalfall ist das die Person, die das Thema vorgeschlagen hat. Diese Rolle kann aber auch jeder andere übernehmen, da das alles ziemlich informell ist.

Teil 3: Zusammenkommen und Infos teilen

Die ganze Gruppe kommt wieder zusammen. Die Teilnehmer können nun alle Maßnahmen/Entscheidungen/Erkenntnisse/Fragen, die in den Sessions aufgekommen sind, mit den anderen Leuten teilen.
Es ist vollkommen in Ordnung, wenn bei Ihrer Session nichts Konkretes herausgekommen ist. Oft sind die Unterhaltungen und der persönliche Kontakt wertvoll genug.
Auch alle anderen Themen, die die ganze Gruppe betreffen (wie z.B. Entscheidungen, von denen alle betroffen sind), werden angesprochen.
Vor dem Intro kann der Organisator auch noch verschiedene andere Elemente hinzufügen, wie z. B. inspirierende Redner, die relevanten Kontext oder relevantes Wissen beitragen können. Er kann aber auch zum dritten Teil der Konferenz Elemente hinzufügen, um Ergebnisse auf etwas formellere Weise zu erfassen. Manchmal gibt es auch noch zusätzliche Versammlungen, beispielsweise nach der Mittagspause (um die Ergebnisse vom Morgen zusammenzutragen).

Teil 2 (die Breakout Sessions) ist frei von jeglichen Unterbrechungen und der Moderator mischt sich so wenig wie möglich ein.

Gesetz der zwei Füße

Ich habe bereits das Gesetz der zwei Füße erwähnt. Weil es aber so wichtig ich, möchte ich ihm noch einen eigenen Abschnitt widmen. Es ist das einzige Gesetz bei Open Space und bei Unconferences.

„Wenn du da, wo du gerade bist, nichts lernen, beitragen oder Spaß haben kannst, benutze deine zwei Füße.”

Im Grunde genommen heißt das, dass wir davon ausgehen, dass die Leute Verantwortung übernehmen und ihre Zeit bestmöglich nutzen werden. Wenn der Organisator und alle Teilnehmer dies im Hinterkopf behalten, wird sich so gut wie jedes Problem und jede Frage irgendwann von alleine klären.

Möchten Sie gerne einmal praktisch Einblick in das Open Space Format bekommen? Dann besuchen Sie doch die Netzwerk-Verantstaltung Scrumtisch (z.B. den Scrumtisch Köln), welcher in vielen Städten Deutschlands regelmäßig stattfindet.

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