3 Fragen gegen Mikromanagement in Scrum

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Sohrab Salimi

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Eines der grundlegenden Prinzipien von Agile und Scrum ist das genaue Gegenteil von Mikromanagement: der Glaube an die Macht selbstorganisierter Teams. Genau das macht einen mikromanagenden Chef, Scrum Master oder Product Owner zu einem besonders schwierigen Problem für agile Teams.

Ich habe drei Fragen gefunden, die im Umgang mit Mikromanagern hilfreich sind:

Wer?

Die erste Frage lautet „Wer?”. Wer leidet unter Mikromanagement? Wenn Sie vom Mikromanagement betroffen sind, der Rest des Scrum Teams aber nicht, zeigt das vielleicht, dass sich jemand Sorgen um Ihre Performance macht. Wenn das so ist, müssen an Ihrer eigenen Performance arbeiten und die Sicht dieses Stakeholders über Ihre Performance verbessern.

Steht jedoch das gesamte Team unter Mikromanagement, ist dieses Verhalten wohl eher auf den jeweiligen Stakeholder zurückzuführen.

Um herauszufinden, ob nur Sie oder das ganze Team vom Mikromanagement betroffen sind, sollten Sie ein bis zwei Sprints lang notieren, auf welche Dinge sich der Mikromanager besonders fokussiert. Protokollieren Sie alle Mikromanagement-Aktivitäten, damit Sie sich diese Daten später noch einmal anschauen und herausfinden können, wer konkret davon betroffen ist.

Wann?

Ein Protokoll über das Mikromanagement zu führen, wird Ihnen auch dabei helfen, die zweite Frage zu beantworten: Wann tritt Mikromanagement auf?

Tritt das Mikromanagement eher vor oder nach einem Meeting auf? Beispielsweise kommt der Product Owner vielleicht jeden Dienstag gestresst aus dem Telefonat mit dem Kunden und hat dadurch einen größeren Drang zum Mikromanagement. Oder aber der Scrum Master neigt am Tag vor dem monatlichen Meeting mit dem VP Engineering zu Mikromanagement.

Manchmal neigen Menschen auch zu einer bestimmten Zeit am Tag zu Mikromanagement. Ein früherer Chef von mir neigte besonders vor seiner ersten Tasse Kaffee zu Mikromanagement.

Wieder andere neigen zu bestimmten Zeiten während einer Iteration zu Mikromanagement. Vielleicht tendiert eine Person, mit der Sie zu tun haben, besonders während der letzten Tage einer Iteration zu Mikromanagement, weil er/sie langsam nervös wird und sich fragt, ob wohl alles geschafft wird. Auch hier sollten Sie diese Informationen protokollieren, um später eventuelle Muster erkennen zu können.

Ich nutze dafür eine Tabelle mit den folgenden Spalten:

Datum: Das konkrete Datum (z.B. 8. März 2017). Dadurch lassen sich zwar meist keine Muster herausfinden. Allerdings können Sie sich so die Daten immer wieder anschauen, wenn Sie sich in Erinnerung rufen möchten, was in der Organisation zu dieser Zeit eigentlich genau los war.

Wochentag: Unter Umständen tritt Mikromanagement nur an bestimmten Tagen in der Woche auf (z.B. freitags). Aus diesem Grund sollten Sie den Wochentag vermerken.

Tag im Sprint: Um erkennen zu können, ob Mikromanagement regelmäßig zu einem bestimmten Zeitpunkt im Sprint auftritt, notieren Sie sich, am wievielten Tag des Sprints es zu Mikromanagement gekommen ist. Das kann dann einfach nur „Tag 3” sein oder aber „7/10”, um festzuhalten, dass es sich um den siebten Tag in einem 10-tägigen Sprint handelt.

Zeit: Schreiben Sie auch die jeweilige Uhrzeit auf (z.B. 10:15 Uhr).

Wen betraf das Mikromanagement: Betraf es Sie selbst, das gesamte Scrum Team oder einen Teamkollegen?

Um was ging es dabei: Halten Sie in dieser Spalte fest, um was es bei dem Mikromanagement ging.

Der Kontext: Gab es zur gleichen Zeit besondere Vorkommnisse im Sprint, dem Projekt oder der Organisation? Trat das Mikromanagement direkt vor oder nach einem Meeting auf? Welches Meeting war das? Und was ging während der Iteration grundsätzlich so vor sich?

Anmerkungen: Notieren Sie sich hier alles, was Sie im Zusammenhang damit als wichtig empfinden. Als Beispiel dient die folgende Tabelle.

Warum?

Nachdem Sie einige Wochen die Mikromanagement-Aktivitäten protokolliert haben, wird es Zeit, die dritte Frage zu stellen: Warum kam es überhaupt zum Mikromanagement?

Durchsuchen Sie Ihr Protokoll nach Mustern. Versuchen Sie die Auslöser dafür zu finden.

Vielleicht neigt Ihr Product Owner nach dem wöchentlichen Meeting mit seinem Chef zum Mikromanagement.

Vielleicht neigt Ihr direkter Vorgesetzter am Ende des Monats zu Mikromanagement, wenn er einen Bericht für seinen Chef schreiben muss.

Anhand dieser Muster sollten Sie versuchen, sinnvolle Konversationen mit den jeweiligen Leuten zu führen. Mit großer Sicherheit werden Sie keinen Erfolg haben, wenn Sie einfach nur sagen: „Bitte hör mit dem Mikromanagement auf!” Versuchen Sie stattdessen, mit ihnen darüber zu sprechen, was sie beschäftigt und somit was die Ursache für dieses Verhalten ist.

Sobald Sie einige der Ursachen für das Mikromanagement identifizieren konnten, sollten sie dies zukünftig vorhersehen und eliminieren können.

Auslöser vorhersehen und eliminieren

Wenn Sie in der Lage sind, unerwünschtes Verhalten durch genaue Beobachtung vorherzusehen, sollten Sie an der Beseitigung der Auslöser arbeiten. Häufig erreicht man das, indem man proaktiv auf den Mikromanager zugeht und ihn mit Informationen versorgt.

Ist Ihr Product Owner beispielsweise nach dem wöchentlichen Meeting mit dem Chef regelmäßig gestresst und verfällt wieder dem Mikromanagement, setzen Sie sich vor diesem Meeting mit dem Product Owner zusammen. Stellen Sie sicher, dass Ihr Product Owner für das Meeting mit dem Chef gut informiert und vorbereitet ist.

Gehen Sie aktiv auf die für Mikromanagement anfälligen Stakeholder zu und geben Sie Ihnen die nötigen Informationen. Versuchen Sie dies zu machen, kurz bevor der jeweilige Auslöser ansteht. So stellen Sie sicher, dass diese Personen alle wichtigen Informationen haben bzw. sich daran erinnern.

Seien Sie jedoch vorsichtig, dass Sie keine neuen aufwendigen Prozesse für sich selbst schaffen. Sie haben jedoch Kontrolle über das Verhältnis zum Stakeholder (oder Chef), wenn Sie aktiv Informationen anbieten, statt so lange zu warten, bis Sie danach gefragt werden und sich dann an den Zeitplan anderer Leute halten müssen.

Manchen Leuten ist nicht zu helfen

Auch mit diesen Tipps werden Sie nicht immer in der Lage sein, jegliches Mikromanagement abzuschaffen. Einige Stakeholder sind unverbesserliche Mikromanager. Die hier genannten Tipps werden Ihnen aber helfen, mehr Kontrolle über die meisten Situationen zu erlangen und sie somit erträglicher zu gestalten.

Dieser Text stammt aus dem Blog von Mike Cohn und wurde von uns ins Deutsche übersetzt.

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