Der verfeinerte Scrum Guide 2020 – der am heutigen 18. November 2020 vorgestellt wurde – enthält einige kleine, aber wichtige Änderungen im Vergleich zu 2017. Die Herausgeber, Dr. Jeff Sutherland und Ken Schwaber, heben die unten erwähnten Änderungen zwischen der Versionen von 2017 und 2020 hervor.
Unsere Perspektive auf den aktualisierten Scrum-Guide
Insgesamt begrüßen wir die Veränderungen, die auf dem Launch Event vorgestellt wurden und und vorab bereits für diesen Artikel vorlagen. Wir glauben, dass sie den Leitfaden zurück zu seinen Wurzeln führen, und nicht zu beschreibend sind, womit endlich wieder ein echter Rahmen bzw. ein Framework für Scrum vorliegt. Dies führt außerdem dazu, dass der Leitfaden leichter auf Branchen außerhalb der Softwareentwicklung anwendbar ist. Ein Schritt, der durch die steigende Anwendung des Scrum Frameworks in sehr diversen Bereichen sicherlich ein sehr wichtiger ist, weshalb die Anwendung in anderen Branchen in unseren Trainings schon lange thematisiert wird.
Zudem gibt es einige weitere Änderungen welche wir uns gewünscht hätten, die allerdings nicht kamen. Aber wer weiß, was die nächste Iteration des Scrum Guide bringen wird. 😉
Änderungen vom Scrum-Guide 2017 zum Scrum-Guide 2020
Im folgenden stelle ich kurz die Änderungen im Scrum Guide2020 vor und sage dann, wie wir als Trainingsanbieter bzw. als Scrum Academy GmbH diese Änderungen bewerten.
Weniger Vorschriften!
Im Laufe der Jahre wurde der Scrum-Guide immer vorschreibender. Die Version 2020 zielte darauf ab, Scrum wieder zu einem minimal ausreichenden Rahmenwerk zu machen, indem die bestimmend klingende Sprache entfernt oder aufgeweicht wurde. So wurden z.B. Daily Scrum Fragen entfernt, die Sprache um PBI-Attribute und um Retro Items im Sprint Backlog aufgeweicht sowie der Absatz zum Sprint Abbruch verkürzt und vieles mehr.
Scrum Academy-Perspektive:
Diese Änderung gefällt uns sehr, da sie ein Schritt zurück zu einem Framework und nicht weiter in Richtung eines Body of Knowledge (BoK), ähnlich dem PMBOK® des PMI geht. Die Schönheit von Scrum liegt in seiner Einfachheit und Universalität. Wir haben Scrum als Unternehmen in Software, Hardware, Pharma und allen Arten von Dienstleistungen angewendet. Eine Rückbesinnung auf die Wurzeln macht die Konzepte für Menschen außerhalb der Software-Entwicklungswelt greifbarer.
Ein Team, fokussiert auf ein Produkt
Ziel war es, das Konzept eines separaten Teams innerhalb eines Teams zu beseitigen, das verstärkt zu einem „Stellvertreter“- oder „wir und die“-Verhalten zwischen dem Product Owner und dem Dev-Team geführt hat. Es gibt jetzt explizit nur noch ein Scrum Team, das sich auf dasselbe Ziel konzentriert und drei verschiedene Arten von Verantwortlichkeiten hat: Product Owner, Scrum Master und Entwickler.
Die Perspektive der Scrum Academy:
Wir lieben diese Veränderung! Das Konzept eines Teams innerhalb des Teams führte regelmäßig zu Verwirrung – sei es in einem Training oder später bei der Implementierung von Scrum. Die „wir“ gegen „die“ Mentalität ist wirklich gefährlich für jedes Team und insbesondere für agile Teams. Dennoch wird betont, dass die Verantwortlichkeiten in den Teams klar zugeordnet sind und sein müssen.
Uns gefällt auch die Betonung, dass es innerhalb des Scrum Teams keine formalen Hierarchien gibt – nur unterschiedliche Verantwortlichkeiten. Wir hoffen wirklich, dass diese kleine, aber wichtige Änderung in der Terminologie dazu führen wird, dass immer mehr Menschen die Rollen in Scrum ähnlich interpretieren wie wir.
Das Einzige, was wir uns für die Zukunft wünschen, ist die Veränderung der Bezeichnung „Entwickler“. Allzu oft sehen wir Leute, die davon ausgehen, dass damit ausschließlich Software-Entwickler gemeint sind – was nicht der Fall ist.
Einführung des Produktziels
Der Scrum Guide 2020 führt das Konzept eines Produktziels ein, um das Scrum Team auf ein größeres wertvolles Ziel auszurichten. Jeder Sprint sollte das (Teil-) Produkt näher an das übergeordnete Produktziel heranbringen.
Perspektive der Scrum Academy:
Generell gefällt uns die Einführung des Produktziels und die Betonung, dass jeder Sprint das Produkt näher an das Gesamtproduktziel bringen soll. Aber um ehrlich zu sein, hätten wir hier den Begriff Produktvision vorgezogen, da dies ein Begriff ist, den viele Leute bereits in der Vergangenheit verwendet haben und es bereits sein Jahren aktiv und erfolgreich nutzen. Es gibt sogar beliebte Werkzeuge, die darauf aufbauen wie z.B. das Product Vision Board von Roman Pichler.
Ein Aspekt, den wir für hilfreich halten, ist ein systematischer Ansatz, um über das Produktziel nachzudenken, d.h. was muss das Produktziel abdecken. Gleichzeitig könnte dies den Rahmen wieder zu bestimmend machen… also ist es vielleicht in Ordnung, ihn so zu belassen, wie er jetzt ist.
Um Teams bei der systematischen Erstellung eines passenden Produktziels zu unterstützen, haben wir als Antwort auf den Scrum Guide 2020 das Product Goal Canvas geschaffen. Dieses einfache Werkzeug hilft Teams dabei, systematisch zu denken und das Produktziel zu erstellen.